Schulnoten abschaffen?

Was sind eigentliche diese Schulnoten
Welche Kritik gibt es an den Schulnoten?
Sollten Schulnoten abgeschafft werden?
Fazit?

Die Diskussion ist wahrscheinlich so alt wie die Schule selbst, vielleicht in der Sache sogar schon viel älter. Aber auf die Historie, auf die Meinungen in früheren Zeiten will ich hier gar nicht eingehen, sondern meine Betrachtungsweise aufzeigen.

Was sind eigentlich diese Schulnoten?

Nun, zunächst einmal sind es möglichst objektive Bewertungen. Sie zeugen davon, wie gut der Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt einen in einem vorherigen Zeitraum vom Lehrer gelehrten Stoff beherrscht. Nicht weniger, aber auch nicht mehr! Die Objektivität ist ein wesentlicher Stützpfeiler von Benotungen, von Leistungsbewertungen ganz allgemein.

Welche Kritik gibt es an den Schulnoten?
  1. Die Objektivität ist auch eine der großen Schwächen des Benotungssystems. Ist es in rein logischen Fächern wie Mathematik oder Physik prinzipiell noch recht leicht, die Leistungen objektiv zu bewerten (Ausnahme siehe unten), wird es dann schwierig, wenn es um Äußerungen, Darstellungen und Diskussionen in geisteswissenschaftlichen Fächern geht. Denn selbst der bemühteste Lehrer hat eine eigene Meinung. Der Schüler hat aus seinem nicht so großen, vielfach noch naiven Erfahrungsschatz, aus seiner Familie und seinem Umfeld oft eine andere Meinung. Diese so darzustellen, dass sie dem Lehrer schlüssig und nachvollziehbar erscheint, ist nicht immer einfach.
    Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich berichten, dass ich in Geschichte (mit großem sozialwissenschaftlichem Anteil) viel mit meinem Lehrer diskutiert habe, oft kontrovers. Wichtig war damals für mich, dass ich einen Gegenpart (den Lehrer) hatte, auf dessen Argumente ich eingehen, sie entgegnen konnte. Auch wenn wir die Meinungsverschiedenheiten nicht ausräumen konnten, die Diskussionen waren sachlich, auf menschlicher Ebene verstanden wir uns hervorragend. Diese Diskussionen empfand der Lehrer als gut durchdachte Beiträge meinerseits, und so bekam ich für die mündliche Mitarbeit grundsätzlich mindestens ein „Gut“. Bei Klausuren fehlte mir der Gegenpart, fehlten mir die Gegenargumente, anhand derer ich meine Position besser darstellen konnte. Meine in der Klausur geäußerte Meinung war für ihn nicht schlüssig, in seinem Denken, nach seiner Meinung falsch, weswegen er die schriftlichen Arbeiten grundsätzlich mit „Ausreichend“ oder „Mangelhaft“ bewertet hat. Hier ist ein deutliches Manko in der Benotung zu sehen.
  2. Die erste Zäsur im Leben des Schülers ist der Übertritt von der Grund- in die weiterführende Schule. Klare Regeln, sprich Notendurchschnitt, liegen der Empfehlung der „optimalen“ Schulform zugrunde. Der Schüler als Person, als Persönlichkeit, als Mensch mit Empfindungen, Problemen, Stärken und Schwächen wird auf die Schulnoten reduziert. Die tatsächliche Leistungsfähigkeit, die wirklich vorhandene Intelligenz, ist aber von vielen Faktoren abhängig.
  3. Schulnoten bestimmen unser Leben. Wer gute Noten hat, wird als leistungsfähiger, intelligenter eingestuft, bekommt bessere Jobs, verdient mehr Geld. Diesem Grundgedanken folgend erwarten die meisten Eltern von ihren Kindern, dass sie gute bis sehr gute Noten mit nach Hause bringen. Leider ist es immer noch in vielen Familien so, dass die Kinder hart, teilweise sogar mit Prügel, bestraft werden, wenn die Noten nicht gut genug sind, wobei manche Eltern die Latte sehr hochlegen und alles was schlechter als „Gut“ ist mit deutlichem Missfallen quittieren.
Sollten Schulnoten abgeschafft werden?

Wenn man meine drei Haupt-Kritikpunkte liest (es gibt natürlich noch mehr, die ich aber für untergeordnet halte), kommt man wohl zu dem Schluss, dass Schulnoten nicht gerecht sind. Sie ziehen ungerechtfertigte Strafen nach sich, können die Karriere nicht nur positiv, sondern auch negativ beeinflussen, sind nicht immer objektiv, manchmal sogar ungerechtfertigt.

Dennoch halte ich Schulnoten für grundsätzlich notwendig und richtig, der Rahmen müsste meines Erachtens geändert werden.

Die Noten geben dem Schüler eine Möglichkeit sich selber einzuschätzen. Wo liegen meine Stärken, wo liegen meine Schwächen? Das sollte wiederum von Eltern und Lehrern dazu genutzt werden, die Stärken, die Talente des Kindes zu fördern. Fast niemand kann in allen Fächern immer gut sein. Und das sollten alle an der Erziehung Beteiligten einsehen.

Anhand der Schwächen kann man oft Signale wahrnehmen, die auf ein Problem des Kindes hinweisen. Ein intelligentes Kind, zumal wenn es das AD(H)S hat, bleibt ohne die entsprechende Förderung weit hinter seinen eigenen Möglichkeiten zurück, wird frustriert, es wird ihm immer langweiliger, weil es gefordert werden will, und schafft manchmal kaum den Hauptschulabschluss.
Ich weiß, wovon ich spreche. Auch mein Abgangszeugnis der Grundschule hätte unter normalen Bedingungen vielleicht gerade mal für die Realschule gereicht. Obwohl ADHS damals noch nicht bekannt war, wusste mein Vater, er war selber Lehrer, instinktiv, dass ich gefordert werden muss. Nicht mit Gewalt, sondern auch mit der Erfahrung, dass nicht alles klappt, dass ich auch manchmal lernen muss. Er setzte durch, dass ich ins Gymnasium kam, wo ich mit achtzehn erfolgreich mein Abitur machte.
Meines Erachtens sollten die Kinder am Ende der Grundschulzeit nicht nur pauschal nach den Zeugnisnoten beurteilt werden. Das Gesamtverhalten sollte Aufschluss darüber geben, was die Noten beeinflusst, und ein objektiver Intelligenztest kann aufzeigen, welche weiterführende Schule geeignet ist – natürlich immer im Gesamtkontext der Persönlichkeit des Kindes. Das kann nicht Aufgabe der Lehrer sein, hier sind kompetente Schulpsychologen gefragt.

Als Beispiel für die Unterschiede des Lernverhaltens von Kindern unterschiedlicher Intelligenz beschreibe ich ein eigenes Erlebnis. Im neunten Schuljahr hatten wir einen Mathelehrer, der eigentlich an der Universität lehrte und nur quasi als Aushilfe den Lehrermangel überbrückte. Entsprechend hielt er eher Vorlesungen als einen den Schülern zugewandten interaktiven Unterricht. Es hagelte erwartungsgemäß schlechte Zensuren, ich war aber einer von drei Schülern, die ein klares „Sehr Gut“ auf dem Zeugnis bekamen. Ich selber und ein weiterer Mitschüler hatten sonst immer ein „Gut“, der Dritte war immer mit einem „Sehr Gut“ nach Hause gegangen.
Im nächsten Jahr bekamen wir einen jungen Lehrer, der die schwächeren Mitschüler innerhalb des Unterrichtes sehr stark förderte. Der Notenschnitt stieg schnell in einen Bereich, den die Klasse noch nicht erlebt hatte. Wir Drei, die in der neunten Klasse eine Eins hatten, hatten jetzt einmal eine Drei, wir beiden anderen sogar eine Vier! Hieß das jetzt etwa, dass wir keine Ahnung von Mathe hatten? Nein, es fehlte die Forderung. Wir haben uns bei den Arbeiten nicht konzentriert, weil alles drei-, viermal durchgekaut wurde, wir es aber schon nach dem ersten Mal kapiert hatten. Da wurde von uns in der Arbeit die Aufgabenstellung gar nicht mehr richtig gelesen, das eigene Ergebnis nicht überprüft, und so schlichen sich jede Menge Fehler ein.
Die Lehrmethoden der einzelnen Lehrer sind zu unterschiedlich, um objektive Ergebnisse der tatsächlichen Leistungsfähigkeit abbilden zu können. Im Umkehrschluss sage ich aber nicht, dass die Noten abgeschafft werden sollen, sondern dass die Lehrerausbildung verbessert werden muss.

Ganz wichtig ist das Elternhaus. Ich schrieb schon etwas von „Stärken fördern“. Beurteilen sie Kinder nicht nach ihren Schwächen, bestrafen sie sie nicht für schlechte Zensuren. Loben sie sie für gute Noten, denken sie daran, dass auch ausreichend noch AUSREICHT. Versuchen sie, mit den Lehrern und dem Kind herauszufinden, warum es manchmal eben nicht ausreicht. Die Tatsache, dass es in jedem Fach auch lernschwächere Kinder gibt, die es dennoch zumindest mit „Ausreichend“ schaffen zeigt meines Erachtens, dass jedes Fach für jeden Schüler prinzipiell schaffbar ist. Gehen sie davon aus, dass ein Kind nicht freiwillig mit einem „Mangelhaft“ oder schlechter ankommt, selbst wenn es so tut, als wäre es ihm egal. Es gibt viele Ursachen, unter anderem auch tatsächliche Lernschwächen, die nur mit liebevoller Unterstützung in der Regel zumindest soweit egalisiert werden können, dass eine bessere Note herauskommt, eine Note, über die sich das Kind freuen kann, selbst wenn es nur eine „Vier“ ist, weil sie sich mit ihrem Kind darüber freuen(!). Weil sie dann nicht verlangen „Aber nächstes Jahr muss es mindestens eine Drei werden!“, sondern zufrieden sind.

Ich habe selbst fünf teilweise schon erwachsene Kinder. Mit dieser „Taktik“ erreiche ich manchmal selbst für mich ganz erstaunliche Ergebnisse, die aus dem Kind einen selbstbewussten Erwachsenen machen, weil er seine Stärken kennt, weiß wo seine Schwächen liegen, und auch, wie er diese ausgleichen kann.

Nicht jedes Kind muss studieren. Es gibt, das ist (nicht nur) meine Überzeugung, unterschiedliche Intelligenz. Und das menschliche Zusammenleben benötigt diese Unterschiede. Nur weil jemand in der Schule nicht so gut war, kann er z. B. ein guter Maurer werden. Und was würden alle noch so intelligenten Bauingenieure machen, wenn es die Maurer nicht gäbe, die das bauen, was sie sich ausdenken? Ich für meinen Teil kann nur sagen, ich bewundere, wie schnell und gerade die Maurer die Wände eines Hauses hochziehen, noch mehr, wie durch das Verputzen eine ebene und gleichmäßig strukturierte Oberfläche entsteht. Ich könnte das nicht!

Wenn ihr Kind also lieber mit Holz arbeitet als Mathe zu lernen, dann gehen sie mit ihm in den Wald, schenken sie ihm eine Säge, fördern sie sein Interesse. Und wenn es irgendwann dann lieber Geschichtsbücher studiert, ist es auch in Ordnung. Nehmen sie ihr Kind ernst, und es wird einsehen, dass es nicht wichtig ist ein Mathegenie zu werden, es wird der Druck von ihm abfallen und die Einsicht einkehren, dass es ganz ohne Mathe aber auch nicht geht, z. B. wenn man aus dem Holz etwas zusammenbauen will. Dann fällt auch das Mathelernen leichter.

Fazit

Ich halte das Elternhaus für die wichtigste Komponente in der Notengebung. Sicher gibt es strukturelle Schwächen, die vom Gesetzgeber aus verbessert werden sollten. Aber ein Elternhaus mit Verständnis für´s Kind, welches die Stärken des Kindes fördert, auch an seinen eigenen Ehrgeiz appelliert, welches die Schwächen des Kindes akzeptiert und ihm die notwendige Unterstützung gewährt, diese Eltern legen den Grundstein für ein erfüllteres Leben ihres Kindes.